Am 13.06.1925 erschien im Donauwörther Anzeiger anlässlich der anstehenden Einweihung der Gedenktafel an der heutigen Kapellstraße 12 nachstehende Bekanntmachung:
Enthüllungsfeier.
Am morgigen Sonntag, vormittags 11 Uhr, wird an dem
Hause Nr. 8 in der Kapellstraße, Herrn Ferdinand Straulino
gehörig, eine Bronzetafel feierlich enthüllt werden, die folgende
Inschrift trägt:
IN DIESEM HAUSE WURDE GEBOREN
AM 22. NOVEMBER 1838
DER GROSSE DEUTSCHE
MYSTIKER UND THEOSOPH
DR. FRANZ HARTMANN,
DER BEGRÜNDER DER INTERNAT:
THEOSOPHISCHEN VERBRÜDERUNG
HAUPTQUARTIER LEIPZIG.
GESTIFTET
VON SEINEN DANKBAREN SCHÜLERN.
DAS PRÄSIDIUM DER I. T. V.
11. FREBRUAR 1925.
Dr. Franz Hartmann war in dem genannten Hause geboren als Sohn des damaligen Gerichts- und Stadtphysikus Dr. Karl Hartmann. Wenige Jahre später kam sein Vater als Landgerichtsarzt nach Kempten. Der Sohn studierte auf der Universität München zunächst Pharmazeutik, da er Apotheker werden wollte, wandte sich dann jedoch der Medizin zu. Während einer Ferienreise nach Paris und Havre im Jahre 1865 wurde ihm die Stelle eines Schiffsarztes angeboten, die er annahm und sodann in Havre die zu diesem Zwecke vorgeschriebene ärztliche Prüfung ablegte. Auf seinen Fahrten kam er nach St. Lous Mo. (Missouri). Dortselbst vollendete er seine medizinischen Studien und erwarb den Titel Dr. med. nebst dem amerikanischen Bürgerrecht. Nach fünfjähriger Tätigkeit wandte er sich nach Mexiko. Dort lernte er u. a. die Nachkommen der alten Azteken kennen. Auch machte er die Bekanntschaft eines sehr merkwürdigen Mannes, „der geheimnisvolle geistige Kräfte besaß“. Nach zweimonatlichem Aufenthalte in Mexiko kehrte Dr. Hartmann wieder in die Vereinigten Staaten zurück, wo er in der Folge an verschiedenen Orten sich aufhielt. Neben einer erfolgreichen ärztlichen und chirurgischen Praxis betrieb er dort auch den bergbau von Gold- und Silberminen. In Amerika wurde Dr. H. mit den Geheimnissen des Spiritismus bekannt. Er war überhaupt ene tief innerlich angelegte Natur und ein Gegner materialistischer Weltanschauung. Im Spiritismus fand Dr. Hartmann aber keine Befriedigung und ebensowenig in der neueren Philosophie. „Ich suchte nach Klarheit“, schreibt er, „und fand nur Verwirrung, ich suchte nach Licht und konnte es weder in Kants kategorischem Imperativ, noch in Schopenhauers dreifacher Regel vom unzureichenden Grunde finden“. Nun entstand in ihm der Drang nach Indien, um an der Quelle orientalischer Weisheit zu schöpfen. Es ist unmöglich, an dieser Stelle die weitere Entwicklung Dr. Hartmanns zu schildern, da dies zu weit führen und zudem den geistigen Horizont der meisten Leser dieses Blattes übersteigen würde. 1885 verließ Dr. H. Indien und kehrte nach kurzem Aufenthalt in Italien weder in seine Heimat Kempten zurück. Ein „zufälliges“ Bekanntwerden mit Dr. Karl Kellner, dem Erfinder der chemischen Cellulosefabrikation, lenkte seine Aufmerksamkeit diesem Industriezweige zu, und es gelang ihm, aus der bei der Cellulosefabrikation gebrauchten Kochflüssigkeit ein Präparat darzustellen, welches sich als ein spezifischen Mittel (durch Einatmung) gegen die Lungentuberkulose erwies. Dies veranlaßte die Bildung einer Gesellschaft zur Einführung dieser Methode in allen Ländern und zur Errichtung einer Inhalationsanstalt in Hallein bei Salzburg, deren Direktor Dr. Hartmann wurde. Er starb im August 1912 in Kempten. Dr. H. hat eine Reihe Schriften verfaßt zur Propagierung seiner Lehren. 1897 gründete er die deutschgerichtete „Internationale Theosophische Verbrüderung“, Hauptquartier Leipzig. Dr. Hartmann war sicher ein ernster Sucher nach Wahrheit, aber seine Ausführungen müssen vom katholischen Standpunkte aus größtenteils abgelehnt werden.
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zu Dr. Franz Hartmann
- https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Hartmann
- https://theosophische-gesellschaft.org/de/franz-hartmann.htm#
- Dr. Horst Friedrich: Dr. Franz Hartmann “Theosoph und Mystiker”
- Das Geburtshaus Kapellstraße Nr. 8 ist die heutige Kapellstraße 12.
- Eine zweite Gedenktafel, ebenfalls datiert mit 11. Februar 1925, wurde am Sterbehaus in Kempten, Bodmanstraße 24 angebracht, wo sie sich noch heute befindet
zur Geschichte und Entwicklung der theosophischen Bewegung mit Focus auf den Theosophischen Gesellschaften