erschienen in der Donauwörther Nationalzeitung am 10.10.1936

 

Unsere Schwalben in harter Bedrängnis

Schwalbensendung von Donauwörth nach München.

Die heuer so früh einsetzende kalte Witterung hat unsere Hausschwalben und auch andere Zugvögel, die sich von Insekten ernähren, in schwere Bedrängnis gebracht. Die Nahrungszufuhr ist ihnen so viel wie ganz abgeschnitten. Viele Schwalben sind infolge des Hungers bereits so entkräftet, daß sie kaum noch das Fliegen vermögen. Wer es ermöglichen kann, besorge sich Mehlwürmer und füttere die ausgehungerten Vögel damit. Wenn sie die Würmer nicht von selbst aufpicken, muß man sie halt den Schwalben in den Schnabel stopfen. Keine Angst: ruhig und ganz tief hinein! Die kleinen Tierchen beißen nicht! Auch wird es gut sein, Schwalben, die nicht mehr fliegen können, in Ställe zu verbringen, denn hier ist es warm, und auch Mücken werden hier noch zu finden sein.

In den Alpen und im Alpenvorland, wo bereits Schneefall eingesetzt hat, ist es um die Tiere noch schlimmer gestellt. Wie vor Jahren werden nun die eingefangenen Zugvögel mit der fahrplanmäßigen Flugpost nach dem Süden gebracht.

Der Tierschutzverein München macht die Bevölkerung darauf aufmerksam, daß die Deutsche Lufthansa in München, Ritter-von-Epp-Platz 6, die zurückgebliebenen Schwalben, wie alljährlich auch heuer wieder nach dem Süden befördert. Die Schwalben müssen eingefangen und in Pappschachteln, die mit den nötigen Luftlöchern versehen sind, verpackt werden. Die Ablieferung kann täglich geschehen, sie muß jedoch vor 11 Uhr vormittags entweder im Büro der Deutschen Lufthansa oder am Flughafen Oberwiesenfeld erfolgen.

Auf die angegebene Weise versandte gestern die Maschinenfabrik Donauwörth etwa hundert der lieben Tierchen. Sie saßen halb erstarrt an den Kaminen und auf Leitungen des Fabrikbereiches und ließen sich mühelos abnehmen. Die Schwalben wurden darauf mit dem Zug um 8 Uhr vormittags nach München abgesandt, wo sie mit dem Mittagsflugzeug über die Alpen nach dem wärmeren Süden befördert wurden. Nur 40 Pfennige kostet die Sendung; also kann jedermann seine Tierliebe beweisen. Sicherlich wird die Maschinenfabrik Donauwörth einzelne Schwalben gerne annehmen, um sie ihrer voraussichtlich am Sonntag früh abgehenden zweiten Sendung beizugeben.